…später und dann wirklich…
sitze endlich in der Bahn. Normal ist stehen – wegen der Abstände. Aber die Züge werden kleiner, die Menge, die transportiert werden möchte größer – und da bleibt es nicht aus, dass vier Sitze besetzt werden, wo vier Fahrgäste vorgesehen sind. Wie schön!!!
Da steigt gerade eine junge Frau ein. Dunkle Hautfarbe, sehr kurvig und mit Kinderwagen. Ich muss zweimal hinsehen… Einmal, weil sie wirklich sehr, sehr kurvig ist – sozusagen – unglaublich viel voluminöse Schönheit mitbringt und zum Anderen, weil sie einen Neoprenanzug trägt. In der Bahn. Wir sind hier nicht im Surfcenter. Und auch nicht auf dem Weg dahin.
Beim dritten Blick geht mir auf, dass das auch ein Catsuit sein könnte. So ein hautenges, langärmeliges Ganzkörperteilchen. In Ihrem Fall – ohne -chen. Schwarz – mit bunten Kreuzen und Rauten – so graphischen Dingelchen halt – drauf.
Mein KLEINES VORMIR fragt ganz vorsichtig: Charlotte – trägt man das so..? Naja.. Wie würdest du das denn tragen ?, frage ich zurück. Ich spüre förmlich die Schamröte vom KLEINEN VORMIR. Es hält den Mund. Das KLEINE HINTERMIR räuspert sich – hält den Mund.
Und dann fängt sie an zu lachen. So tief, so schallend – so mitreißend. Wirft ein paar glucksende Worte in den Kinderwagen und lacht weiter. Sie bebt – alles an ihr bebt und lacht.
Meine Maske rutscht noch etwas tiefer als ich mich anstecken lasse. Ich kann nicht anders. Ich muss lachen. Gibt grad nicht so viele Gründe zum Lachen – also – loslassen, lachen …
Lachend die Bilder vertreiben, die mich seit Sonntag begleiten. Rennende Polizisten, die Menschen vor sich her treiben. Einen Kessel bilden, einen jungen Mann zu Boden prügeln. Ich stecke in diesem Kessel. Um mich rum Menschen, die sich, genauso wie ich, Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder, um ihre Freiheit und ihre Unversehrtheit machen. Mir stehen die Haare zu Berge und Tränen in den Augen, ob der Gewalt, die sich hier vor meinen Augen, in meiner Stadt, in meinem Land abspielt.
Es gibt keinen Ausweg aus dem Kessel. Vorerst. Das ist wie im wirklichen Leben. Es gibt immer einen Ausweg. Auch wenn er sich manchmal schwer zeigt und schwierig zu gehen ist.
Inzwischen hat ein Familienmitglied mit mir Kontakt aufgenommen. Er steht außerhalb des Kessels – hinter den Polizisten. Ich versuche Blickkontakt mit einem der Polizisten vor mir aufzunehmen. Schier unmöglich. Irgendwann weiß der Mann nicht mehr, wo er hinschauen soll. Versuche ihm zu erklären, dass ich gern eine Familienzusammenführung hätte. Hinter Ihm. Aber red mal mit jemandem, der dich nicht anschaut. Die Polizistin neben ihm erklärt mir, dass ich hier nicht rauskäme. Gäb` ja einen Grund, warum ich drin sei.
Oha.
Eine Mutter mit zwei kleinen Kindern versucht es ebenfalls. Die Kinder weinen bereits. Es ist UNMÖGLICH. Der Kessel ist zu. Mein Telefon klingelt wieder und ich kriege von außerhalb Zeichen, dass ich den Standort wechseln soll. Laufe ein paar Meter an der großen Kreuzung entlang. Da steht ein Auto am Bordstein. An Front und Heck die Polizisten – aber die Längsseite ist ohne Bewachung. So gesehen befindet sich das Auto zur Hälfte längs im Grünen Bereich und die andere Hälfte längs im Roten Bereich. Über das Autodach hinweg reichen wir uns die Hände. Ich bin so erleichtert, dass ich kurz mein Gesicht in seinen Händen verberge und den Duft von zu Hause einatme.
Noch einmal suche ich den Kontakt mit einem Polizisten. Er kommt aus Niedersachsen und ist riesig. Ein weißes steigendes Pferd auf rotem Grund ziert seinen linken Ärmel. Das einzige, was er sagt: „Mindestabstand. Sie stehen zu nah.“ Dann streckt er seinen langen Arm aus, zeigt auf seine Fingerspitzen. Da.Soll.Mein.Platz.Sein.
Sollte jetzt was passieren, steh ich relativ sicher. Das Auto vor mir würde mich schützen. Vom Polizisten neben mir sollte ich das eher nicht erwarten. Mein Telefon klingelt erneut. Die Polizisten werden unruhig und ich bekomme Instruktionen, was ich im Ausnahmezustand tun kann. Mein Adrenalinspiegel steigt und ich realisiere, dass das hier nichts mit Abenteuer zu tun hat. Es ist bitterster Ernst. Die Gefahr ist real. Und ich bin mittendrin.
Ein Befehl wird gebellt. Ich gehe hinter dem Auto in die Hocke und höre, wie die Stiefel über den Asphalt hämmern. Die Linie löst sich auf, findet sich und gibt den Weg frei. Sie ziehen ab. Ein Jubeln und Klatschen. Unglaublich. Sie sind einfach weg. Ich heule. Ich kann nicht anders. Ist´s die Erleichterung, ist´s das Wissen um die Gefahr – egal. Die Tränen laufen. Überall. Aber ich sehe auch Wut. Und ich mag mir grad nicht die Frage stellen, wo sind sie hin? Was war der Grund für den Abzug? Gerüchte, dass es einen Durchbruch gegeben habe, kommen auf.
Ist das wirklich mein Land? Wo Polizisten auf Menschen einprügeln, die ihre Meinung sagen..? Die sich aufs Grundgesetz berufen, selbst entscheiden wollen, ob und wie sie sich vor dem Virus schützen und die vor allem ihre Kinder vor einer völlig aus der Kontrolle geratenen Regierung und dem allgemeinen Impfwahn schützen müssen.
Sonntag, der 1.8.2021 hat sich eingebrannt.
Und da ist es so befreiend zu lachen – sich dem Moment zu ergeben, mitten im Chaos Bahnfahren und so zu lachen, dass Tränen kullern, die Maske vom Kinn fällt, die Kopfhörer aus den Ohren rutschen und ich nicht an rauschende Wasserfälle denken darf. Klo kommt erst in 12 min…
