Ist Urlaubszeit. Da bin ich anders unterwegs. Die Bahn hat auch ein „S“. Das steht weder für Stadt noch für Schnell… Voll ist sie. Ich finde einen Stehplatz auf der Plattform. Die bewegt sich. Hat solche Puffer an beiden Seiten. Die bewegen sich mit. Beim suchenden Schauen nach Festhaltemöglichkeiten, trifft mein Blick eine ältere Frau. Die deutet energisch auf den Platz ihr gegenüber. So gesehen – schräg hinter mir.
Nee – denke ich. Da habe ich doch keinen Platz mehr. Über beinahe zwei Sitze verteilt, sitzt ein Berg von einem Mann. Mit einem Berg von Tüten. IKEA – Tüten. Die extra langen. Doch – gestikuliert sie immer noch sehr energisch. Einfach hinsetzen. Sie sind schmal genug.
Aha. Ich nehme meine Ohrstöpsel aus den Ohren und ergebe mich. Quetsche mich zwischen Puffer und Berg von einem Mann mit Bergen von Tüten. Der ist auch noch multitaskingfähig… Verfolgt auf seinem Handy, die Route, die wir gerade fahren. Klar. Kann ja nicht aus dem Fenster schauen. Die Berge von Tüten versperren ihm die Sicht.
Die ältere Dame lächelt mich liebevoll an. Derweil hole ich ein Heft aus meinem Rucksack. Ist nicht das Charlotte – Heft. Bin ja nicht mit der Bahn unterwegs. Eigentlich.
Versuche ein paar Sätze loszuwerden und dabei zu ignorieren, dass mir gerade eine Pobacke einschläft. Mein Platz reicht nämlich nur für eine Pobacke. Ich rutsche unruhig hin und her. Hilft nicht. Die ältere Dame gestikuliert schon wieder sehr energisch.
Sie zeigt auf meine Chucks. Die mit den langen Schnürsenkeln. Modisch hip soll man die um die Knöchel schwingen oder endlos Schleifen machen… Keine Ahnung. Bei mir gibts ´nen Doppelknoten. Oh… und der hat sich gelöst. Während ich mir beide Schnürsenkel wieder fest zubinde – mit Doppelknoten UND Doppelschleife, erzählt sie mir, dass sie bereits Urgroßmutter sei und einfach DEN BLICK habe. Für offene Schnürsenkel, offene Rucksäcke (mahnend streift mich ihr Blick) und ungekämmte Haare. Ich unterdrücke den Impuls mir durch die Haare zu fahren. Ist eh zu spät. Ihr BLICK hat alles registriert.
Urgroßmutter. Finde ich beeindruckend. Sie sieht nicht alt aus. Nicht sooo alt jedenfalls. Wobei – alt ist relativ. Sie wirkt auf mich jugendlich alt. Und ehrlich…?
Es berührt mich, dass sich eine wildfremde Urgroßmutter Sorgen um mich macht. Dass sie dafür sorgt, dass ich auf mich Acht gebe. Dass sie mir das Gefühl gibt, dass es wichtig ist, dass es mir gut geht.
Sie wünscht mir einen angenehmen Tag als ich gehe – ach – und ein schönes Wochenende auch noch…
Als ich Stunden später erschöpft in einem Café sitze, fällt mein Blick auf die Schnürsenkel. Alle Knoten noch fest. Und der Rucksack ist auch zu. Lächelnd fasse ich in meine wirren Haare…
Liebste Charlotte,
heute kein Kommentar
-weil, ich bin schreiblos-
so wunderbar ist die Geschichte
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….☺️….
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Liebe Charlotte. Als ich das Foto erblickte, dachte ich, du machest irgendwo Urlaub auf dem Land in Bayern – warum denn nicht in Bayern? – oder Pause auf dem Trekking in den Alpen oder im Himalaya – warum nicht in den Alpen oder im Himalaya?…Nein, du sassest einfach in der Bahn….Soll ich dir heute schöne Urlaubstage in Bayern oder im Himalaya wünschen?…Meinerseits werde ich ab Morgen die Schnürsenkel mit Doppelknotten und Doppelschleife meiner GEOX ESPIRA fest zubinden, um Milano zu besuchen….Liebste sonnige Grüsse.
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Milano … wie schön, lieber Marseiller… ja – für das Pflaster braucht’s Doppelknoten….
Lass es dir gut gehen…
Liebe Grüße
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Charlotte anders ist aber nicht anders… also nicht soooo 🤗
Zwar bist du nicht in der S-Bahn aber kleine Abenteuer erlebst du immer !!!💖
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Auf den Punkt, meine liebe Ella …
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