Erinnert sich noch jemand an „Fest der Liebe“? Sowas in der dunkleren Art beginnt sich neben mir anzubahnen…
Bin noch beim Beobachten eines älteren Herrn. Der hängt nämlich grad sein Handtuch über die Rückenlehne seines Vordermannsitzes. Wahrscheinlich kommt er grad vom See und weiß nicht, wohin mit dem nassen Zeug. Er trägt ein Basecap mit einem Wappen, welches mir vage bekannt vorkommt, schaut auf sein Handy und lächelt süffisant aufs Display. Mit beachtlicher Schnelligkeit textet er und hört einfach nicht auf zu lächeln. Ist der verliebt…? Ich mein – so wie er lächelt, scheint es ihn ziemlich erwischt zu haben. Vor allem – er hört einfach nicht auf. Textet und lächelt.
Ich google das Wappen. Aha . Portugal… Hätt` ich ja auch ohne Google drauf kommen können – war schließlich vor kurzem dort. Mein Gedankengang wird von einem fliegenden Sakko jäh unterbrochen. Das Sakko landet mir gegenüber. Der dazugehörige Mann landet ebenfalls dort. Ich gebe zu – es ist heiß. 31 Grad außerhalb der Bahn treffen auf knapp 40 Grad in der Bahn. Da kann Mann durchaus sein Sakko abwerfen. Schön wäre, wenn er VORHER die Flugbahn seiner Schweißtropfen mit berechnen würde. Ich könnte jetzt gut das Handtuch des älteren Herrn gebrauchen. Er übrigens auch.
Wortreich entschuldigt er sich bei mir. Stöhnt über die Hitze und fächelt sich Luft zu. Ich mache mir ein paar Notizen im Charlotteheft zu dem älteren Herrn, dem Handtuch und dem Wappen. Der Mann ohne Sakko schaut mir dabei zu und sagt: „das ist ja Kunst – ihre Handschrift…“
Ja, sage ich – und wie im echten Leben stehen alle davor und fragen sich, was will uns der/die KünstlerIn damit sagen… Hmmm. Das schreckt ihn nicht ab. Er verstummt nur für eine kleine Weile. Ich bemerke einen offenen Knopf an seinem feuchten Hemd. Da lugt ein wenig weißer Bauch hervor.
Der sollte mal in die Sonne gehen, denke ich und schreibe weiter. Aber nur zwei Wörter. Weil – der Mann hat Gesprächsbedarf. Und es stört ihn auch nicht, dass es mich vielleicht stören könnte. Bevor er den üblichen Satz fragt, worüber ich denn schreibe, frage ich, was er so tut… Weil – wer fragt – führt…
Er ist Berater. Oha… Politik und Wirtschaft. Aha. Da hat er ja unendlich viel Arbeit in Anbetracht der politischen Lage derzeit, sage ich und hoffe, dass er nicht weiß, wo er beginnen soll mit dem Erzählen.
Ich würde doch so gern noch meinen Gedanken zu Ende bringen. Möglichst schriftlich. Bin doch so vergesslich. Siehst – und jetzt habe ich den Faden verloren…
Interessiert den Mann ohne Sakko überhaupt nicht. Und er beginnt auch nicht von seiner Beratertätigkeit zu erzählen sondern stellt die Frage, wer wohl mehr Ärger bekäme, wenn er nicht zum Termin erscheinen würde. Er oder Ich.
Ich gehe davon aus, dass dies eine rhetorische Frage ist, klappe mein Heft zu und setze meine Sonnenbrille auf. Normalerweise ist das ein sehr deutliches Zeichen. Nun – nicht jeder versteht die Zeichen auch zu deuten. Was mir wirklich selten passiert.
Mein Telefon klingelt. Der Mann ohne Sakko legt verschwörerisch seine Finger auf die Lippen. Ich bin ziemlich einsilbig – aber das bin ich normalerweise auch – telefonieren in der Bahn mag ich gar nicht. Als das kurze Gespräch beendet ist und ich mein Telefon wieder wegstecke, fasse ich den Entschluss eine Station eher auszusteigen. Nehme ich den längeren Weg und komme nochmal raus in die Sonne, denke ich.
Da fragt mich der Mann ohne Sakko doch tatsächlich, ob ich nicht den Nachmittag mit ihm verbringen würde. Und wenn das nicht ginge, ob er mich anrufen könne.
NEE – NEIN – ganz bestimmt nicht. Weder das Eine noch das Andere. Rhetorische Fragen benötigen keine Antworten, sage ich. Und dann bin ich weg. Aus dem Augenwinkel nehme ich noch den älteren Herrn wahr. Der schmunzelt und zeigt mit dem Daumen nach oben. Der leise Groll auf den Mann ohne Sakko verdampft in der Sonne. Der Faden ist wieder da und ich setze mich in´s Gregory`s, blättere zurück zur letzten Seite und habe neuen Stoff für – anbahnen – …
Menschen können doch über Wasser gehen,
Es ist nur eine Frage der Umgebungstemperaturen.
Soviel zu 40 Grad
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Sorry, Novembermann…. das war NICHT Jesus….
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Ich weiß liebste Charlotte, aber schau mal hinter die Worte – nicht bei 40 Grad-
🙂
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Liebe Charlotte,
heute habe ich deine Geschichte mal nicht als Nachtlektüre gelesen. Hatte heute tatsächlich mal früher ein ruhiges Minütchen 😄
Wie nett du unangenehme Dinge bzw. Menschen beschreiben kannst… manche merken auch Nichts … man(n) man(n) man(n)🤣
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….passiert halt…. das ÜbersZielHinausschießen …😉
…ist aber auch keine Geschichte für die Nacht, liebe Tini…. schlaf gut…🙏
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Ich weiß liebste Charlotte, aber schau hinter die Worte 🙂
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Liebe Charlotte! Die kurze Begegnung mit dem Mann, der dich einladen wollte und nach deiner Telefonnummer fragte, heisst bei uns „draguer“!…Nicht nur Franzosen ‚draguent‘ in der U-Bahn…Andere Länder, gleiche Sitten…Europa über alles! …Liebste Grüsse !
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Ihr Franzosen, lieber Marseiller, habt eindeutig die schöneren Wörter…😉. für Vieles…!!
Liebe Grüße
Charlotte
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