Stille…

….brauch ich jetzt. Habe den ganzen Tag geredet. Brauch jetzt ein ruhiges Plätzchen, meine Musik in den Ohren und Stille… Stille geht auch mit Musik. Ist kein Paradox.

Mir gegenüber sitzt eine stille Frau. Eine Nonne.

Ihre Blicke sind beredt. Sie missbilligen.

Ja – ich gebe zu – meine Wollkleid reicht im Sitzen nicht übers Knie. Nichtmal ansatzweise. Aus Anstand schlage ich meine Beine übereinander. Dann setze ich meine Sonnenbrille auf und steck mir die Stöpsel in die Ohren. Sonnenbrille ist natürlich Quatsch – ist dunkel draußen. Noch so ein Blick, den ich als Missbilligung deute.

Eine Klarinette erklingt im hinteren Teil des Zuges. Irgendwie schief und laut. Klezma? Ich will niemandem zu nahe treten, schon gar nicht Klezma-Musikern aber dieser Mann kann es irgendwie nicht. Er übt noch. Tut mir und meiner Stille nicht gut. Und jetzt fängt da vorn auch noch einer an, seine Füße im Takt mit stampfen zu lassen. Ich schau auf die Nonne. Sie hat die Augen geschlossen.

Entnervt schiebe ich die Lautstärke meiner Ohrstöpsel in den roten Bereich. Mich streift ein missbilligender Blick. Hallo…??

Könnte Gott bitte differenzieren? Zwischen Musik für´s Runterkommen und Musik, die ich in diesem Falle, nicht als solche wahr nehmen kann… ?

Kann doch nicht so schwer sein…

Sie sieht sehr ernst aus – die Nonne. Können Nonnen auch einen schlechten Tag haben?

Mein Tag lichtet sich gerade. Der Musiker ist verschwunden und der Kelch mit der „MOTZ“ ist auch an mir vorüber gegangen… Da war nämlich noch jemand, der seine Zeitungen loswerden wollte.

Ich versinke in der Musik von „Cigarettes after Sex“. Mach wieder leiser. Obwohl ich nicht glaube, dass die Nonne meine Musik zuordnen kann. Und wenn – riskier ich eben noch einen missbilligenden Blick.

Nachtrag zur Nonne:

Ich verlasse die Bahn und telefoniere dabei. Mir tippt jemand auf die Schulter. Ich drehe mich um. Da steht die Nonne. Schweigend reicht sie mir meine Mütze, die mir eben – beim Kramen nach dem Telefon –  aus der Tasche gefallen sein muss. Ihr Blick ist blau, klar und kein bisschen missbilligend…

Dem Himmel sei Dank – ist meine Lieblingsmütze…

 

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3 Kommentare zu „Stille…

  1. Liebe Chalotte. Deine im Alltag erwünschte Stille wird nur durch die emotionalen Tränen unterbrochen werden, die die Interpretation von Joyce DI Donato der Arie “lascia ch’io pianga“ bei dir verursachen wird….Ich lade dich ein….Liebe Grüsse vom Marseiller.

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    1. Lieber Marseiller….
      uuii…. da komm ich jetzt ins Schleudern… aber vielen Dank für deine Einladung… und fürs weitere Lesen über Stille, empfehle ich dir Erling Kagge… Stille… ein gar nicht stilles Buch… über Stille …
      Bin mir nur nicht sicher, ob das auch in französischer Übersetzung vorliegt…
      Liebe Grüße ins milde Klima…
      Charlotte

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  2. Liebe Charlotte
    Danke für die Empfehlung. Ich finde im Internet Auszüge aus seinem Buch : „Quelques grammes de silence“ , Erling KAGGE….A chacun de trouver sa propre voie pour accéder au silence…Silence= Stille

    „Laisse tes appareils électroniques chez toi et pars pour un endroit désert. Sois seul pendant trois jours. Ne parle à personne. Et, progressivement, tu découvriras de nouvelles facettes de toi.

    L’important n’est pas ce que moi je crois, mais que nous suivions tous notre propre route. (…)

    Il s’agit de larguer les amarres.

    A toi de trouver ton propre pôle Sud.“ p. 127= Seite 127
    Liebe Grüsse …Sonne, 7°.

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